Heimatmuseum Obing

Das kleine Museum, das Ihnen die Geschichte von Obing zeigt

WEG-GESCHICHTE IM "OBINGGAU"

von Ortsheimatpfleger Walter Mayer

Unsere Gegend ist seit mehreren tausend Jahren Kulturland, aber von unseren Vorfahren immer in Einklang mit der Natur gestaltet und entwickelt, nicht gegen sie. Und so ist der Menschenschlag im "Obinggau", wie er zur Zeit König Tassilos genannt wird, geprägt von der liebenswerten Landschaft zwischen Alz und Sur, Ischler Achen und Mörn. Seit jeher sind die Bewohner von einer weltoffenen Bodenständigkeit. Wie der gesamte Chiemgau wurde auch der Obinggau den archäologischen Funden nach zwischen 3500 und 2000 v. Chr. besiedelt. In der Hallstatt-Periode (1250-750 v. Chr.) nahm die Besiedlung kontinuierlich zu, wohl aufgrund einer erneuten Klimaverschiebung, so dass nun sogar in extremen Tieflagen, wie Flussauen und Seeinseln, gebaut werden konnte und sich die ersten Wege entwickelt haben. In der Keltenzeit (ab 400 v. Chr.) gehörte das ganze Land östlich des Inns bis zum Wiener Wald, zu den Karawanken und zum Pustertal bis etwa 50 n. Chr. zum wohlhabenden keltischen Ostalpenkönigreich Noricum. Mit den westlich anschließenden Keltenstämmen der Räter und Vindeliker bestanden rege Handelsbeziehungen. An die 100 Jahre vor Christus wurden aber auch schon Handelsverträge und ein Nichtangriffspakt mit Rom geschlossen. Diese Abmachungen ermöglichten es den Norikern, auch nach der Besetzung Rätiens (15. v. Chr.) durch die Römer noch etwa 60 Jahre, zumindest formell selbständig zu bleiben.

Das erste Wege-Netz haben wir also den Norikern zu verdanken. Erst dann gehörte auch in unserer Gegend alles Land dem römischen Kaiser. Die Römer konnten also bereits auf einige alte Handelsstraßen zurückgreifen. Funde aus der Römerzeit deuten darauf hin, dass eine größere Handelsstraße auch durch Obing verlaufen ist. Und die Meilenangaben aus der berühmten Peutingertafel sprechen sogar für die Verbindung Attel-Obing als Vorläuferin der Pfunzen-Bedaium-Straße. Obing ist zu dieser Zeit aufgrund seiner Lage also ein Ort von regionaler Bedeutung.

Nach dem Eindringen fremder Völker (seit 350 n. Chr.), dem endgültigen Rückzug der Römer (488 n. Chr.) blieben die einheimischen keltoromanischen Bauern zurück. Sie überstanden sogar die Völkerwanderung und die Hunnenzüge und spielten als "Walchen" (Sigewalchingen = Siboling, Willing), Bar- und Hiltischalken (Schalkham, Sachsenham) oder Sintmannen (Gsinn; Sintmann = Wegmacher) bei der Integration von Flüchtlingen und neuen Herren aus ostgotischen und langobardischen Stammessplittern im boierisch-bayuwarischen Stammland im 6. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Bei etwa zwei Grad wärmerem Jahresmittel als heute, begann nach rund 200 Jahren des Zusammenwachsens in Altbaiern, um 700 n. Chr. eine Rodungszeit. Aus dieser Periode stammen die meisten -ham-Orte, während die -ing-Orte in der Regel älter sind.

Bereits 1155-1158 wird der Obinger Markt erstmals erwähnt, was für seine zentrale Bedeutung in der Region spricht und den Handelsverkehr sicherlich weiter verstärkt hat. Ungefähr ab dem 14. Jahrhundert wurde das Klima wieder kälter und nässer, der eigene Weinbau hörte auf. Das Leben ging weiter, und wiederum nahm der Handel zu: Denn es wurde halt mehr Bier gesotten und die Klöster hatten schon Weinberge in der Wachau und in Südtirol. So flossen auf den Kirchtagen in Albertaich und Diepoldsberg Öster- und Etschwein eimerweise, es gab Lebzelten und Süßenbockmeth = Honiglikör. Man wusste sich zu helfen: Wenn der Wein nicht wächst, muss man ihn eben von wo anders holen.

Das Salzfuhrwerk stand jahrzehntelang in der Gaststube des Gasthofs zur Post („Beim John“).
Es ist eine Dauerleihgabe der früheren Besitzerin des Gasthofs zur Post, Lina Obermair.

Salz-Wege

Der Wert fremder Dinge und der Gewinn aus dem Handel bewirkte den ganzen Zeitraum hinweg ein Nachlassen des urtümlichen Beutetriebes und die allmähliche Entwicklung eines abgabenorientierten Transport- und Geleitrechtes. Und so wurden aus den ursprünglichen Trampelpfaden zwischen den wenigen längerzeitig brauchbaren Flussübergängen schnell feste Fußwege der Kraxentrager, Karawanen- und Saumwege und schließlich Karrenstraßen. Dabei sind die Salz-Wege sicherlich die ältesten, denn das Salz war und ist lebensnotwendig. Umgekehrt brauchten die Salzleute Getreide. Tauschgut und Rückfracht machten die Sache noch rentabler.

Sehr wichtig waren dabei seit frühester Zeit die Seen und Flüsse, die mit Einbäumen (zwei wurden in hiesigen Seen gefunden) und Flössen befahren wurden. Vor allem abwärts wurden Salz und Erze damit natürlich viel günstiger verfrachtet als auf dem Landweg. Wenn man sich aber in die Mühsal des Traidelverkehrs vertieft, glaubt man nicht an eine Versorgung des gesamten fränkisch-schwäbischen Raumes nur über Passau-Regensburg donauaufwärts. Auch die immer zahlreicher werdenden, großen Siedlungen auf der Schotterebene, an Isar, Lech, Iller, Donau, im Ries, auf der Alb und am Bodensee, brauchten für die Vorratshaltung jede Menge Salz und vertauschten dafür Kupferfahlerz, Hornstein, Getreide usw. Es entstanden die alten Salz-Wege durch Norikum und Rätien bis in die Schweiz und Württemberg. An diesen Wegen wurden alle Tagreise weit, später immer enger, geeignete Siedlungen in Gewannenlage zu Etappenhöfen ausgebaut. Sie boten Übernachtung, Verpflegung und unumgängliche Reparaturen für die überregionalen Salzsender, aber auch für einheimische Fuhrwerker, Samer und Kraxentrager.

Die gesicherten römischen Militärstraßen

Die einzelnen Salz-Wege

Den Obinggau durchqueren auf dem Hintergrund dieser Geschichte eine Reihe von überörtlichen Altwegen, die zum Teil keltischen und römischen Ursprung haben und mitunter bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch waren. Über die Maulfurth aus dem Salzburger Becken kommend, zweigt auf einem kreuz und quer zerfurchten Buckel bei Saaldorf die "Untere Salzstraße" über Laufen, Burghausen, Mühldorf hinaus, von der "Mittleren" ab. Die "Untere" braucht uns nicht weiter zu interessieren, wohl aber:

  1. Die Augsburgerstraß, Hochstraß oder Hohe Straß, Mitterstraß, d.h. Mittlere Salzstraße, Chaussee nach Salzburg 

Sie verlief teilweise auf der gleichen Trasse wie heute die B 304. Sie kam über die Maulfurt (Saaldorf) aus dem Salzburger Becken und ging über Freilassing, bzw. vom Reichen Hall über Piding - Ainring - Petting nach Waging, von dort über Brünning - Nock nach Altenmarkt, wo die Alz am Auberghang oder in der Laufenau überquert wurde, oder über Otting - Pierling - Anning zur Steinerfurt (Traun), schließlich über Offling zur Bruck (Niesgau/Höllthal), von dort entweder über Rupertsdorf - Rabenden oder über Eglhart nach Neustadl und Obing. Weiter ging es über Helm (Hellnhäusl, Höllthal: Hell-Weg=Salzweg, auch Hohlweg) nach Liedering - Hallerschneid - Stegen/Halfurt - Pfaffing - Evenhausen - Eiselfing oder von Locking über Frieberting nach Straß/Griesstätt zum Innübergang mit Schiffslände und Umschlagplatz Sendling bei Attel (Frumentarierstation Ad Aenum). Später verlagerte sich die Überfuhr/Innfurt abwärts nach Urfarn - Gern und schließlich im Hochmittelalter zur neuen Brücke bei Wasserburg (Neuhohenau). Dementsprechend lief unser Weg nun über Albertaich (Greder = Salzniederlage), später über Irlham - Allertsham (Estermann = Maut), schließlich über Frabertsham - Gallertsham zur Schanze. Von dort aus über Kirchensur - Schilchau - Straß - Weikertsham - St. Achaz. Zu diesen Routen gibt es natürlich Seitenwege und Abzweige vor allem auch zur Umgehung von Zollstellen, so im Gemeindegebiet von der Hochbruck (Brückl) über Jepolding und Rumersham nach Irlham wohl wegen des Umgelters in Obing. Die Mittlere Salzstrasse von Salzburg nach (Hauptziel) Augsburg wurde offiziell Hochstrasse genannt, weil sie amtlicherseits regelmässig hoch und wetterfest aufgefahren wurde. Die Hochbruck am Obinger Seebach musste von Salzburg aus extern instand gehalten werden.

2.  Die Güldene Salzstraße

Sie heißt so, weil sie aufgrund einer "Goldenen Bulle" im Hochmittelalter den Herzögen die dringend benötigten Zolleinkünfte garantierte. Sie geht von Piding über Teisendorf - Lauter zur Mautstelle Hallerbruck in Traunstein oder über die Schmugglerfurt Empfing, nach Sondermoning - Tabing - Truchtlaching, über Ischl (später über Döging) nach Straß/Seeon - Pittenhart(ing) - Aindorf - Grammelberg - Wolfsberg - Asham zur Halfurt und weiter wie oben. Sie berührt den "Obinggau" also ganz im Süden. Auch zu dieser Straße gibt es Seitenwege und Abzweige.

3. Das Samerstraßl, der Öttingerweg, Mörnweg 

Samerstraßl, Samerwege gibt es verschiedene in ganz Altbayern. Sie sind weniger ausgeprägt, weil es eben nur Fuß- und Saumpfade waren. Für die Entwicklung des Chiemgaus sind sie dennoch von großer Bedeutung, weil sie in diesem Fall die Salzwege kreuzen, von der Mündung der Salzach quer über den Innbogen zur „Innpforte" am Wendelstein führen. Sie sind der Heimweg der Innflößer aus Tirol und vom Samerberg (früher Rossersberg genannt) von Passau her, wo die meisten Schiffe und Waren verkauften. Als Nachweis aus der Keltenzeit sind auf der ganzen Strecke Viereckschanzen als Herbergen, dabei mehrere „Biburgen". Solang auf dem Inn geflößt wurde, war dies der kürzeste Rückweg, natürlich in kleinen Varianten. Außerdem, wo immer feuerfeste Tonwaren angefertigt wurden, brauchte man Graphit aus Kropfmühl oder Krummau, das war sicher eine interessante Rückfracht. Nach Markmann ist die Strecke von Passau zum Brenner der mittlere Teil eines sehr frühen Bernsteinweges von Schleswig her an die Adria und nach Rom.

Unter der 500-jährigen Römerherrschaft waren diese Wege, die den Obinggau zwischen Höslwang und Kienberg kreuzen, die nichtmilitärische Direktverbindung von der norischen Grenze bei der Brücke Pons Oeni = Pfunzen über Turum = Burghausen zur Hauptstadt Ovilava = Wels, eigentlich vom Zillertal bis zum Wiener Wald. Nach den Römern und der Teilung Altbaierns orientierte sich der Nordostverkehr unter dem Patronat der Wittelsbacher auf ihre Herzogspfalz, den Wallfahrtsort Altötting. Pilger und Samer gingen von Tüssling/Polling das Mörntal herauf zur Herberge in Altenham, an Siboling (Sigewalchingen) vorbei über  Schalkham und Kleinornach zum Samerstraßl nach Fachendorf, Pittenhart, Aufham, Gachensolden, Antwort, Mauerkirchen, Geiging. Andere gingen über Stockham nach Obing, (Pittenhart), Höslwang, Halfing, Prutting, Riedering auf dem Altweg zum Innknie bei Kufstein.

Anhaltspunkte der Altwegforschung, Flurnamen und Überlieferungen sind unsere Grundlagen. So gibt es alte Wege von Bedaium / Seebruck über Ischl nach Mögling und über den Roithamer Gasteig nach Seeon - Obing. Diese deuten auch auf weitere Wege der Salzsäumer aus dem Obinggau über Pirach, Diepertsham, über Henning, Schnaitsee, Lampertsham nach Stadlern. Dort zweigen drei Wege ab, über Gars zur Kreuzung Haag-Altdorf, über Au am Inn nach Moosburg, über Aschau am Inn ins Rottal. Nach dem Ende der Sämerei wurden manche dieser Strecken zu Pilger- oder „Kapuzinerwegen", zum Beispiel Rabenden - Stockham - Hainham auf dem Weg vom Kloster Baumburg zum Kloster Gars. Nachdem im frühen Mittelalter auch Chiem- und Simssee zum Landgericht „Chlingensberg" gehörten, führten verschiedene „Amts- und Schinderwege" aus dem Chiemseewinkel zum Schloss Kling.

In der Römerzeit wurde am Südrand des Obinggaues eine Altstrasse von Bedaium/Seebruck nach Pons Oeni/Leonhardspfunzen militärisch bestens ausgebaut und für gewerblichen Verkehr gesperrt. Es war als Heerstrasse Augsburg - Salzburg ein Mittelteil der strategischen Verbindung von Paris bis Budapest, vom Atlantik zum Schwarzen Meer. Im Südwesten ist der keltische Kupferweg vom Kitzbühler Jochberg über den Streichen nach Rimsting-Halfing-Innübergang Sendling/Attel zu den Gewerbegebieten Erding und Manching. Im Norden unseres Kleingaues quert ein mittelalterlicher „Grafenweg" von Rott - Attel - Wasserburg über Weigelham - Pfaffenham - Waltelham - Axtham - Altenham, dann Maierstetten - Tacherting - Kirchweidach - Burghausen, (interessant für Mittelalterfreunde). Im Osten links entlang der Alz war ein römischer Zivilweg Burgham - Ischl – Massing - (wo ein Alz-Weg von Niesgau und Mörn heraufkam) Mögling-Schedling - zu Brücken in Tacherting und Töging.

Der „Obinggau" im Zentrum des Innbogens war mindestens seht Beginn der Eisenzeit, also etwa dreitausend Jahre, kontinuierlich besiedelt und erschlossen. Anders kann die Geschichte Altbaierns nicht gelesen werden: Wenn auch zeitweise Kleinregionen durch kriegerische Ereignisse und Seuchen ziemlich entleert wurden, im ganzen Land sind „Burgställe" und „Schanzen" und andere Anhaltspunkte für Siedlungen, die weiter versorgt werden mussten. Es war nie eine „reiche Gegend", aber mit und durch Arbeit war zu leben.

 

Weitere Altwege

Schließlich sind noch mehr oder weniger regionale Wegspuren zu erwähnen, für die Hinweise auf die Römer- und frühe Bayuwarenzeit vorhanden sind: Der Garser Weg geht von Obing bzw. Rabenden (Rapotingen) über Schnaitsee - Stadlern - St. Elsbeth bzw. Bierwang - Grafengars nach Au oder nach Ampfing. Die Wege treffen sich im Weitfeld bei Diepertsham (vgl. die Bezeichnung "Römerweg" und die 3 Bildsäulen, die dort früher standen), wobei er von Obing über Pirach kommt, der von Rabenden über Stockham/Größenberg. Über Sachsenham und Zeismering führten weitere alte Wege nach Schnaitsee. Ein Amtsweg geht schließlich von Frabertsham über Eckerting - Kling - Hohenburg - Haag nach Dorfen (Turum). Eine weitere Altstraße, die angeblich aus Römerzeiten stammt, von Straß bei Wasserburg über Kling - Schnaitsee - Altenham nach Bruck bei Wiesmühl und weiter nach Burghausen. Sie berührt den "Obinggau" also im Norden. Aus mittelalterlichen Umgelder-Aufzeichnungen ist ein sogenannter Sautreiberweg nach Tirol und ins Etschland um 1600 zweimal steuerlich nachgewiesen, dessen Verlauf durch Viehzölle in Eggstätt und über den Angerberg im Unterinntal, sowie eine Erwähnung bei Aschau, ungefähr skizziert werden kann.

 

Die "Straßenverkehrsordnung"

Die Wege selbst wurden im Laufe der Jahrhunderte und durch den stark wachsenden Verkehr immer schlechter, obwohl offenbar schon in sehr früher Zeit der Unterhalt durch Sinthöfe (Gsinn), Furtner, Bruckner, Weger geregelt war. An den Steigungen waren Ausweichspuren angelegt, manchmal gleich mehrere. Die "Fernfahrer" hatten ihre Vorspann-Bauernrösser zur Hand, abwärts die Radschuhe, gefährlich war's allemal. Die Goaßl war nicht zum Vergnügen da, sondern zum Antreiben, wenn es aufwärts grimmig wurde, und sonst zur Warnung Entgegenkommender. "Aus der Bahn, wer nicht doppelt scheißen kann!" - das war nicht bloß ein Kraftspruch, es hieß, dass ein Einspänner ausweichen musste. Insbesondere die Anzwägen (Zweiradler) mit ihren mannshohen, stark gestürzten Rädern, verdarben die Wege bis auf den Grund, weshalb sie später verboten wurden. Doch die Fuhrleute kümmerten sich nicht viel darum.

Das Salz gab immer auch Anlaß zum Wege-Streit: Die "ordentlichen Salzbauern" waren bis ins 14. Jahrhundert nach Rosenheim über Traunstein und Seebruck gefahren, nach Wasserburg über Truchtlaching und Obing, nur die Anlieger selbst und die von der Maulfurt über Petting und Waging herkommenden Salzwagen (Mittlere Salzstraße) nutzten die Brücke in Altenmarkt, da sie an und für sich teurer war. Doch das reichte den Traunsteinern noch nicht. Und 1337 erreichten sie von Herzog Heinrich II. tatsächlich das Privileg, dass das Salz nicht mehr auf der Mitterstraß nach München und Schwaben gehen durfte, sondern nur über die Güldene. Es wurden sogar ein paar Salzwagen auf der Strecke nach Altenmarkt - Wasserburg beschlagnahmt. Natürlich wurde dennoch über Altenmarkt Salz transportiert und so ging auch der Streit mit den Traunsteinern um die Straßenbenützung weiter. Denn 1507 protestierten die Wasserburger bei Herzog Albrecht IV., dass ihre Voreltern immer eine freie Straße gebraucht haben, oder in Traunstein mautfrei durchfahren durften. Und Albrecht der Weise gab den Innstädtern recht. Von da an war die Strecke wieder frei befahrbar.

Unter hoheitlichem Druck wurde im späteren Mittelalter auch die Rottordnung eingeführt: Nicht mehr fremde Kauf- und Fuhrleute brachten das Salz nach Schwaben und in die Schweiz, sondern zwischen den niederlagepflichtigen Städten fuhren von einheimischen Rottbauern gestellte Salzwägen von einem Salzstadel zum nächsten. Berghamer und Landertshamer Bauern brachten z.B. Wägen von Truchtlaching nach Roitham. Das Ausmaß der Transporte ist an ein paar Zahlen zu ermessen: 1587 gingen von Reichenhall nach Wasserburg rund 10.000 Fuhrwerke mit ca. 100.000 Scheiben Salz (es gab auch andere Sorten), pro Werktag um die 40 Fahrzeuge. 1651 waren es noch 85.448 Salzscheiben. Über die Wasserburger Innbrücke gingen 1630 12.603 Fuhrwerke mit nahezu 120.000 Scheiben Salz. Die Scheiben verfrachteten nur die Wagensamer, sie hatten eine extra Genehmigung und bekamen eine sogenannte Polite mit, worin Gewicht, Zahl der Pferde, Transportmittel angegeben und der Zielort, der genaue Hin- und Rückweg und die Rückfracht vorgeschrieben waren. Während die treibenden Samer bei 3 Pferden höchstens 7 Zentner und das Futter aufluden, waren es bei Wagensaum mit 3 Pferden ca. 20 Zentner. Die zulässige Höchstlast wurde 1756 zur Straßenschonung auf 50 Zentner "Khurbayerischen Gewichts" á 56 kg festgelegt. Bei Überladung drohte eine Strafe von 3 Gulden per Zentner.

Wie wir aus den Maut-, Zoll- und Umgelder-Ordnungen (zum Beispiel aus den Altenmarkter Mautordnungen von 1609/1658) wissen, waren neben dem Salz zahlreiche andere Güter unterwegs. Im Hochmittelalter scheint eine Rückfracht mit Getreide vorgeschrieben gewesen zu sein. Als nächstes nach der Menge dürfte der Wein aus der Wachau und aus Südtirol, sowie Eisen in Puschen (Bündel Stangen) zu nennen sein. 1613 wurde an der Traun in Stein eine feste Brücke gebaut und eine Beizollstelle errichtet. Der Zöllner hatte Edelstein- und Goldhändler mit Tauf- und Vornamen in Altenmarkt anzumelden, also waren auch wertvolle Sachen wie Schmuck unterwegs. Die Güter wurden entweder verzollt, ober - wie könnte es anders sein - auch hintenrum "geschwärzt".

Natürlich wurde auch damals von den Fuhrleuten versucht, Zeit und Geld einzusparen, mit wechselndem Erfolg: 1770 beschwerte sich der Zöllner an der Alz, dass die Samer die "Hohe Straße", gleich nach Traunstein verlassen und über Tabing zur Truchtlinger Brücke gingen. Zu Obing kamen sie wieder auf die Hohe Straße, nachdem sie 2 Stunden Weges abgekürzt hatten. Den Brückenzoll für Altenmarkt mußten sie aufgrund der Klage dann aber doch nachzahlen. Übernachtet haben die Samer bei Bauern oder in den "Truckenen Herbergen", wie beim Döndl in Roitham, geschlafen wurde auf Heu und Strohsäcken in eiskalten Kammern. Die Hauptsaison der Samer war ja im Spätherbst und Winter, bis daheim die Arbeit begann. Zugelassen waren nur Verheiratete. Vielerorts waren scheinbar die Wirte für den Straßenunterhalt zuständig, denen nicht selten nachgesagt wurde, sie würden sie absichtlich verkommen lassen, um die Fuhrleute zum Ausweichen und Einkehren zu zwingen, bis ihre beschädigten Wägen von den Schmieden und Wagnern repariert wurden. Die treibenden Samer konnten zwar den "Saustraßen" leichter ausweichen, auch den Mautstellen, doch die Überreiter waren halt auch immer und überall zugegen und kontrollierten die Frachtpapiere.

 

Die Post

Zur Verbesserung des Reise- und Botenwesens wurde 1556 der Landsberger Bund gegründet. Wie andernwärts schon die Taxis, organisierte er die Brieftransporte zwischen München und Salzburg durch feste Posthaltereien, die an alten Tavernwirtschaften eingerichtet wurden. Die Posthalter erhielten strenge Auflagen, sie mussten immer zwei frische Rösser und nüchterne (zuverlässige) Knechte vorhalten. 1582 war die Post beim Postreiter Georg Klausner in Obing, 1589 heißt es, dass von der Tavern vor Kurzem die Post weggekommen sei, wohl eine Weile zum Etappen-Salzstadel nach Roitham, wo der Döndl das Recht der "truckenen Gastung" hatte. 1601 kaufte Jakob Klausner, das Pichlmaier-Anwesen in Frabertsham, in dem ab 1620 die Post bei ihm und seinen Nachkommen belegt ist. Nachdem in Obing die Schloßherren laufend wechselten, "keiner fraß mehr einen Zenten Salz" ist ein alter Ausdruck, waren auf Frabertsham die Murher und der zunehmende Verkehr verlagerte sich immer mehr dorthin, zumal auch die Albertaicher- und die Allertshamer-Strecke zugrunde gefahren waren. Jakob Klausner belebte die gutgehende, aber unrentable Poststation in Frabertsham durch eine gewinnbringende "Zäpflerei" (Ausschank). Er kam dadurch in langdauernden Streit mit dem Obinger Gastwirt Hindl und dem angerufenen Pfleger zu Kling. 1679/1681 übernahmen die Taxis diese Linie, anfangs kam wöchentlich einmal die Taxis´sche Reitende Reichspost von München nach Salzburg. Auch die Poststation Frabertsham hatte ausreichend Wechselpferde zu halten, sowie Ersatz-Chaisen, Felleisen und Zubehör, als dann der Fahrbetrieb, die Fracht- und Personenbeförderung immer stärker aufkamen. Für die beförderten Briefe bekam der Posthalter 1/3 des Portos, die Postillione außer dem Lohn ein "Schmiergeld" zum Wagenschmieren. Bequem war die Postkutsche nicht gerade und die Straße holprig. 1788 beschwerten sich die Posthalter an der Strecke über den "bis in den Grund verdorbenen Weg, der sowohl durch schwere Güterfuhr als auch die beständigen Salzwägen insoweit unbrauchbar gemacht wird, dass, wo sonst 2-3 Pferde notwendig waren, jetzt 4 erforderlich werden". Wolfgang Amadeus Mozart, der mit seinem Vater öfters bei seinem Gönner Pater Haasy in Seeon war, kam ein paarmal auch nach Obing, wegen des guten Essens im Pfarrhof und in der Postwirtschaft, wie Vater Leopold berichtet. Als der junge Mozart 1780 mit der Postkutsche nach München fuhr, schrieb er dem Vater: "... Dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! Und die Sitze! Hart wie Stein! Von Wasserburg aus glaubte ich in der Tat, meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können. Er war ganz schwielig und vermutlich feuerrot. Zwei ganze Posten fuhr ich, die Hände auf dem Polster gestützt und den Hintern in den Lüften haltend - doch genug davon, es ist nun schon vorbei! Aber zur Regel wird es mir sein, lieber zu Fuß zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren."

 

Die Bahn

Schon 1845 begannen erste Planungen für eine Bahn von München nach Salzburg und Wien, entlang der Chaussee über Wasserburg, Obing, Altenmarkt, Waging. 1853-1860 wurde begonnen von München aus die anfangs eingleisige "Maximiliansbahn" zu bauen. Nach ziemlichen Querelen gegen eine Trasse im Bereich Eggstätt-Seebruck machten die Rosenheimer das Rennen und man führte 1860 die Hauptbahn südlich durch das Chiemseemoos nach Salzburg. Damit hörte der Salzverkehr auf der Straße auf, der übrige Durchgang wurde stark dezimiert. Die Handwerker an der Straße mussten sich neue Möglichkeiten suchen. Sie fanden auch welche, mit Dampfbetrieb für Drescher und Sägewerke (Pinsl), Gaserzeugung (Manzinger) und dann Elektrizität (Friedrich, OBÜZ), sowie in der Mechanik (Spöckbacher, Guggenberger). Damit behielt das Handwerk in Obing seine große Bedeutung und der über 800-jährige Markt hatte Zulauf aus dem ganzen Chiemgau. Von 1890 bis 1908 wurde dann um eine Lokalbahn in unsere Gegend gekämpft. 1897 begann die Projektierung einer Lokalbahn Endorf — Frabertsham. Nachdem den Initiatoren und später den Schnaitseern die Kosten zu hoch wurden, blieb 1901 nur noch Obing als Interessent. Nach Sicherung der Finanzierung begann man 1907 mit dem Bau einer Normalspurbahn, die 1908 feierlich eröffnet wurde. Wie erwartet, entwickelte sich diese zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor im nordwestlichen Chiemgau und amortisierte sich bald. Genauso könnte eine reaktivierte Lokalbahn heute Aufschwung im Tourismus bringen, nachdem sie ihre Bedeutung für den Güterverkehr durch die Auto- und Lastwagenentwicklung zunehmend verloren hat.

 

Die Autostraße

Während die anderen Altwege großenteils ihre Bedeutung verloren, ist die 1934 zur Bundesstraße 304 ausgebaute Hauptstraße nach wie vor eine Lebensader, bringt Handel und Wandel in den Obinggau. Doch die Verdienstmöglichkeiten am Verkehr nehmen mit zunehmender Frequenz und Tonnage adäquat ab. Man fährt schneller durch, statt Pferdeschweiß stinkt Benzin und statt Pferdemist wird Ruß hinterlassen.

 

Mögen sich also auch in Zukunft auf den Wegen in unsere Heimat frohe Leute bewegen, die Arbeit gut, das Leben friedlich und der Obinggau liebenswert altbairisch bleiben. Möge uns das lebensfrohe bairische Wesen, die feine alte Mundart, Gesang, Tanz und Spiel nicht abhanden kommen, sondern nach gutem altem Brauch gepflegt werden. Man sollte halt vom Alten, was noch gut ist, erhalten, und beim Neuen gehört gschaugt, ob´s auch was taugt.